Oftmals stellt sich Prüfungs- oder Examenskandidaten die Frage, ob man auch mündliche Prüfungen anfechten kann.
Die Antwort lautet zunächst einmal: „Ja!“
Der Prüfling fühlt sich dabei den Prüfern in einer mündlichen Prüfung oftmals unmittelbar ausgeliefert. Zudem bekommt der Prüfling im Anschluss der mündlichen Prüfung kein Protokoll über die Fragen und Antworten ausgehändigt. Deshalb gilt die mündliche Prüfung oftmals als am schwierigsten anfechtbar. Dieses Vorurteil kann aber aufgrund unserer langjährigen Erfahrung und der Spezialisierung auf Verfahrensfehlern relativiert werden.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in einem Beschluss v. 19.10.2010 klargestellt, welche Beweismittel für die richterliche Überzeugungsbildung vom Ablauf der mündlichen Prüfung in Frage kommen, wenn der konkrete Ablauf der mündlichen Prüfung von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt wird. Wird der Ablauf in einem Prozess unterschiedlich dargestellt und wurde nur die rein informatorische Befragung des betroffenen Prüfers durchgeführt, hätten nach Auffassung des Gerichts Widersprüche im tatsächlichen Vortrag der Beteiligten durch eine Beweisaufnahme aufgeklärt werden müssen.
Das Gericht kam dabei zu dem Ergebnis, dass zum Nachweis tatsächlicher Vorgänge und des äußeren Ablaufs der Prüfung die prozessüblichen Beweismittel – insbesondere auch die Zeugenvernehmung von Prüfern, Protokollführern oder Mitprüflingen – zur Verfügung stehen.
Des Weiteren wurde konstatiert, dass die Eigenheiten einer mündlichen Prüfung es regelmäßig mit sich bringen, dass mündliche Prüfungen einer nachträglichen Betrachtung nicht zugänglich sind und unregelmäßig nicht umfassend protokolliert werden. Das Gericht führt in diesem Zusammenhang wie folgt aus:
„…Ohne eine hinreichend zuverlässige Beurteilungsgrundlage kann nachträglich eine (korrigierte) Leistungsbewertung aber nicht stattfinden. Die Erfüllung eines hierauf gerichteten Anspruchs ist schlicht unmöglich, weil die erbrachte Prüfungsleistung nach einem entsprechenden Zeitablauf nicht mehr erfassbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.04.1996 – 6 B 13/96 -, NVwZ 1997, 502; Senatsbeschluss vom 21.09.2005 – 9 S 473/05-, VBlBW 2006, 145). Insoweit verbleibt nur die Möglichkeit einer Wiederholungsprüfung…“
(VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.10.2010 – 9 S 1478/10)
Der betroffene Prüfling sollte sich also vor Anfechtung einer mündlichen Prüfung bewusst sein, welche Beweismittel ihm zur Verfügung stehen, um das Gericht bzw. vorab das jeweilige Prüfungsamt im Widerspruchsverfahren von dem unregelmäßigen Ablauf der mündlichen Prüfung zu überzeugen. Die Beweisführung kann sich dabei als schwierig gestalten, wenn der Prüfling außer seiner Aussage zum Ablauf der mündlichen Prüfung keine weiteren, für ihn günstigen Beweismittel anbietet.
Aber auch äußere Einwirkungen während der Prüfung, wie Unruhe im Prüfungsraum, Baulärm, Hitze oder Kälte oder auch der Mangel in der Aufgabenstellung können zu einer Aufhebung der Prüfungsentscheidung im Einzelfall führen. Unsachliche oder auch unfaire Äußerungen des Prüfers können demnach einen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung verschaffen, wenn das Verhalten des Prüfers geeignet war, Verunsicherungen beim Prüfling auszulösen, die sich auf seine Leistungsfähigkeit auswirkten.
Praxistipp:
Sollten sich Anhaltspunkte, beispielsweise die Befangenheit eines Prüfers, für den nicht ordnungsgemäßen Ablauf einer mündlichen Prüfung ergeben, empfiehlt es sich, diese Unregelmäßigkeiten entweder während oder spätestens im Anschluss an die mündliche Prüfung protokollieren zu lassen. Zusätzlich sollte der Prüfling unmittelbar nach der mündlichen Prüfung ein ausführliches Gedächtnisprotokoll anfertigen, um so die Chancen der Beweisführung im Widerspruchs- bzw. Gerichtsverfahren zu verbessern. Auch bietet es sich an, ggf. Freunde in den Zuhörerreihen zu haben, soweit dies zugelassen ist.
Werden diese Punkte beachtet, kann auch eine mündliche Prüfung bei Unregelmäßigkeiten im Ablauf mit Erfolg angefochten werden.
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