Spätestens seit der Corona-Pandemie haben Online-Prüfungen Einzug gehalten. Deren Bedeutung nimmt stetig zu. Doch damit steigt auch die rechtliche Bedeutung um verschiedenste Fragestellungen rund um das Thema Online-Prüfungen. Besonders brisant ist dabei, dass hierzulande die entsprechende Infrastruktur für Online-Prüfungen meist innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung gestellt werden musste. Die Pandemie führte also bundesweit zu einem Digitalisierungsschub. Problemkreise bildeten sich hierbei oftmals in Zusammenschau mit den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auch ergaben sich viele Schwierigkeiten in Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz bei Betrachtung der Verhältnisse der Kinder / jungen Erwachsenen aus sozial schwachen Familienverhältnissen gegenüber denen aus sozial starken Familienverhältnissen. Dies fängt schon damit an, dass einige Familien keinen eigenen Computer oder Drucker zur Verfügung haben.

Zulassung zum Studium mit künstlicher Intelligenz

Durch die 2020 ausgebrochene Pandemie musste Deutschland im Bereich der Onlinevorlesungen und Online-Prüfungen einen gewaltigen Schritt nach vorne gehen. Im internationalen Vergleich war (und ist) Deutschland in diesem Bereich dennoch bei weitem nicht auf dem selben Niveau der USA oder der skandinavischen Länder.

An vielen Schulen wurde pandemiebedingt erstmals der Onlineunterricht eingeführt. Selbiges galt für viele Hochschulen und Universitäten, wenngleich der Onlineunterricht und die Onlineprüfungen hier oftmals besser organisiert war als in Schulen.

Digitale Prüfungen bilden keine genuine Prüfungsart; sie stellen vielmehr eine Durchführungsvariante der klassischen Prüfungsarten dar. Typische Erscheinungsformen der ‚digitalen Prüfungen‘ sind:

  • Online-Klausuren in Distanz (mit Prüfungsaufsicht)
  • ePrüfungen in Präsenz (sog. electronic assesments in Poolräumen)
  • Videobasierte mündliche Prüfungen
  • Digitale Take-Home-Prüfungen (ohne Aufsicht; mit Zeitfenster)
  • ePortfolios (digitale Sammelmappen als Prüfungsleistung)

Die Entscheidung, ob schriftliche Prüfungen als Online-Prüfung oder als Präsenzprüfung angeboten werden, obliegt grundsätzlich dem Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum der Prüfer. Ein Anspruch auf Durchführung von Online-Prüfungen besteht grundsätzlich also nicht (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.09.2020 – 2 ME 349/20; VG Berlin, Beschl. v. 10.09.2021 – VG 12 L 237/21; VG Gießen, Beschl. v. 05.03.2021 – 9 L 491/21.GI).

Die Fehlerquellen im Prüfungsrecht bei Online-Prüfungen sind trotzdem vielfältig. Auch hier gelten die üblichen formellen Fehler als Ansatzpunkt für eine Prüfungsanfechtung (sofern diese dem Inhalt nach passen). Darüber hinaus kommt eine Vielzahl an spezifischen Fehlerquellen in Betracht, die (nur) Online-Prüfungen immanent sein können.

So können auch bei Online-Prüfungen Störungen auftreten – und zwar vor allem technische Störungen. Maßgeblich hierbei ist, in wessen Sphäre die Störung fällt.

„… Die Antragstellerin nutzte für beide in Streit stehenden Prüfungsversuche eine veraltete Version des vorgegebenen Webbrowsers Google Chrome. Dies geht jedoch nicht zu ihren Lasten. […] Ein expliziter Hinweis, dass ausschließlich die aktuellste Version des Browsers Chrome zu nutzen ist, fand sich in den FAQ der Antragsgegnerin erst ab dem 24.03.2022 – und damit nach Auftreten der Probleme der Antragstellerin bei der Klausurteilnahme. …“

(VG Köln, Beschl. v. 15.07.2022 – 6 L 651/22)

Merke! Für Prüflinge besteht die Obliegenheit, eine Störung unverzüglich zu rügen, um sich anschließend hierauf berufen zu können. Die Prüflinge sollten daher technische oder sonstige Probleme dokumentieren (z.B. Screen-Shots einer Fehlermeldung) und etwaige Ansprechpersonen (z.B. Hotline, IT-Support) kontaktieren.

Die Beaufsichtigung der an einer Online-Klausur teilnehmenden Studierenden über eine Bild- und Tonübertragung während der Prüfung wird überwiegend für zulässig, ggfs. sogar für geboten erachtet. Die Frage, ob auch eine Aufzeichnung und Speicherung der Video- und Tonverbindung (Prüfungsaufzeichnung) zulässig ist, muss jedoch gesondert betrachtet werden.

„… Durch die Videoaufsicht kann überprüft werden, ob sich der Prüfling akustisch mit anderen Personen (im Raum oder über Telefon etc.) austauscht oder (auffällige) nicht erlaubte Hilfsmittel verwendet. …“

(OVG Schleswig, Beschl. v. 03.03.2021 – 3 MR 7/21)

„… Die vom Antragsteller angegriffene Aufzeichnung und vorübergehende Speicherung der Video- und Tonverbindung während der Prüfung ist geeignet, die Durchsetzung der Chancengleichheit zu fördern. […] Die Aufzeichnung und zunächst vorübergehende Speicherung […] dürfte sich im Ergebnis im Hinblick auf ein sich im Verlauf der Prüfung ergebendes Bedürfnis nach Beweissicherung als geeignet und erforderlich erweisen. …“

(OVG Münster, Beschl. v. 04.03.2021 – 14 B 278/21.NE)

Umgekehrt hat das VG Frankfurt/Oder sogar entschieden, dass eine unbeaufsichtigte Online-Prüfung an einem Verfahrensmangel leidet, der die Annullierung der Prüfung und deren Wiederholung rechtfertigt.

„… Bei einer elektronisch und außerhalb der Hochschulen durchgeführten Klausur in Form einer ‚Online-Prüfung‘ ist eine Prüfungsaufsicht zur Wahrung der Chancengleichheit erforderlich.[…] Auch konnte auf eine Aufsicht nicht deshalb verzichtet werden, weil die Prüfung als sog. open book-Klausur (auch „Kofferklausur“ genannt) angelegt war […]. Durch das Fehlen einer Identitätsprüfung der Studierenden […] und einer Versicherung, dass die Prüfungsleistung selbst und ohne Nutzung unzulässiger Hilfsmittel erbracht wurde […], war mangels Aufsicht nicht gewährleistet, dass die Fernklausur überhaupt durch die hierfür angemeldeten Studierenden in Person abgeleistet wurde, geschweige denn, dass den jeweiligen Prüfungsleistungen keine verdeckte Gruppenarbeit zugrunde liegt …“

(VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.05.2021 – VG 1 L 124/21)

Immer wieder stehen bei Online-Prüfungen etwaige Täuschungsversuche von Prüflingen im Raum, die sich unter anderem auch durch den Einsatz unzulässiger Hilfsmittel während der digitalen Prüfung ergeben können:

„… Der Austausch mit zahlreichen anderen Prüflingen über eine WhatsApp-Gruppe während der gesamten Bearbeitungszeit stellt eine schwerwiegende Täuschung dar. …“

(VG Berlin, Urt. v. 06.02.2023 – VG 12 K 52/22)

Auch mit dem E-Examen hält die Digitalisierung Einzug in den Prüfungssaal. Viele Bundesländer haben das E-Examen bereits eingeführt. Einige andere stehen mit der Einführung in den Startlöchern. Doch auch hier stellt sich die Frage der Chancengleichheit. Diese Frage stellt sich umso mehr, wenn (noch) ein Wahlrecht hinsichtlich der Ablegung der Prüfung besteht (Am PC oder handschriftlich). Wie wird sichergestellt, dass handschriftliche und elektronische Klausuren gleich bewertet werden? Doch auch beim reinen E-Examen gibt es mögliche rechtliche Bedenken. Ist es ungerecht, wenn einige Prüflinge schneller tippen können als andere? Ebenfalls könnten sich womöglich neue Täuschungsmöglichkeiten ergeben. Aufgrund der bislang geringen Erfahrungswerte wird dieser Prüfungsbereich auch in den kommenden Jahren ein hochspannendes Themengebiet bleiben.


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