Grundsätzlich kann jeder Prüfling verlangen, dass er beim Ablegen einer Prüfung nicht durch äußere Einwirkungen gestört wird. Schließlich ist Ziel der Prüfung, die „wahren“ Leistungen zuverlässig zu ermitteln und gleichzeitig den Grundsatz der Chancengleichheit zu wahren. Störungen durch äußere Einwirkungen können daher einen (äußeren) Mangel des Prüfungsverfahrens darstellen, den der Prüfling als wichtigen Grund zum Rücktritt geltend machen kann, wenn er offensichtlich oder unverzüglich gerügt worden ist.
Häufigster Störfaktor bei schriftlichen Prüfungen ist Lärm. Aber auch ungewöhnliche Temperaturen – sei es anhaltende Kälte im Prüfungsraum oder überdurchschnittliche Hitze – können relevante Beeinträchtigungen darstellen.
Entscheidend ist, ob die Beeinträchtigung erheblich ist – das ist nach objektiven Kriterien aus der Sicht eines „normal empfindsamen Prüflings“ zu beantworten. Psychische Labilität, eine ausgeprägte Nervenschwäche oder übergroße Reizbarkeit sind dagegen keine relevanten Kriterien. Es kommt daher vor allem auf die Intensität der Störung und deren Dauer an.
Die Prüfungsbehörde ist gehalten, organisatorische Maßnahmen zu treffen, um erhebliche Störungen zu vermeiden. Konnte dies nicht gewährleistet werden und kommt es daher zu Störungen während einer Prüfung, kommen ggfs. Kompensationsmaßnahmen in Betracht. So ist es in der Regel ausreichend und zweckmäßig, kurzfristige und unvorhergesehene Lärmbelästigungen der Prüflinge durch Schreibzeitverlängerungen auszugleichen.
Treten während der Erbringung der Prüfungsleistung Mängel des Prüfungsverfahrens – insbesondere durch äußere Einflüsse wie z.B. durch Lärm – auf, deren Beachtlichkeit und Erheblichkeit nicht für jedermann ersichtlich ist, sondern von der subjektiven Wahrnehmung und Einschätzung durch den einzelnen Prüfungsteilnehmer abhängt, so trifft den Prüfling die aus allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen hergeleitete Obliegenheit, den Mangel im Rahmen des Zumutbaren unverzüglich zu rügen, um die Prüfungsbehörde in die Lage zu versetzen, dem Mangel abzuhelfen. Versäumt es der Prüfling, rechtzeitig an der Beseitigung des Fehlers mitzuwirken, kann er sich auf den Verfahrensfehler nicht mehr berufen.
Wird seitens der Prüfungsbehörde keine oder keine rechtzeitige Abhilfe geschaffen, besteht unter Umständen die Möglichkeit zur Anfechtung der Prüfung. So können unzumutbare Prüfungsbedingungen zu einem Anspruch auf Wiederholung der Prüfung führen. Aber auch insoweit sind Prüflinge regelmäßig gehalten, sich unverzüglich nach Ablegung der Prüfung darüber Klarheit zu verschaffen, ob er die Prüfung trotz des Mangels gegen sich gelten lassen möchte, und falls dies nicht der Fall sein sollte, unmissverständlich gegenüber der Prüfungsbehörde zum Ausdruck zu bringen, dass er die Prüfung unter keinen Umständen gegen sich gelten lassen wolle.
Ist ein Prüfling also der Auffassung, dass zu Unrecht keine Kompensationsmaßnahmen ergriffen wurden oder eine gewährte Kompensation unzureichend war, hat er dies regelmäßig unverzüglich gegenüber der Prüfungsbehörde zum Ausdruck zu bringen. Aus dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit folgt, dass einem Prüfling die Berufung auf einen rügefähigen Mangel, insbesondere durch äußere Einflüsse wie Lärm, dann verwehrt ist, wenn er das (negative) Prüfungsergebnis abwartet und erst danach erklärt, dass er das Prüfungsergebnis aufgrund des Verfahrensfehlers bei der Erbringung der Prüfungsleistung insoweit nicht gegen sich gelten lassen möchte.
„… Verlangt die Prüfungsordnung die unverzügliche Geltendmachung von Rücktrittsgründen durch den Prüfling, so ist der Rücktritt unter Angabe der Gründe grundsätzlich spätestens bis zur Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses zu erklären.
Unterrichtet die Prüfungsbehörde den Prüfling nicht, unvollständig oder mißverständlich über die Möglichkeit zum Rücktritt, so kann jedenfalls bei unklarer Rechtslage der Rücktritt auch dann noch ‚unverzüglich‘ sein, wenn er zwar erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, aber noch innerhalb der Widerspruchsfrist erklärt wird. …“
(BVerwG, Urt. v. 06.09.1995 – 6 C 16/93)
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