Ist ein Prüfling in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, kann dieser möglicherweise einen sog. Nachteilsausgleich beanspruchen. Darunter sind geeignete Ausgleichsmaßnahmen zu verstehen, mit denen den Schwierigkeiten des Prüflings im Einzelfall Rechnung getragen werden soll – etwa die Gewährung einer Schreibzeitverlängerung für den Prüfling.
Ein Nachteilsausgleich kommt im Allgemeinen zwecks einer Kompensation von Defiziten in Betracht, die der Prüfling wegen eines Dauerleidens besitzt. Bei „nur“ akuten vorübergehenden Gesundheitsstörungen steht oftmals die Frage nach einem Rücktritt von der Prüfung im Fokus; zwingend ist dies aber nicht. So ist es – je nach Einzelfall – durchaus denkbar, dass auch bei lediglich akuten Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit ein Anspruch auf Nachteilsausgleich besteht (z.B. bei einer akuten Sehnenscheidenentzündung, die zu einer Schreibzeitverlängerung führen kann).

Wird erst nachträglich festgestellt, dass einem Prüfling der versagte Nachteilsausgleich zusteht, so kann dieser beanspruchen, die ohne diesen Nachteilsausgleich abgelegten Prüfungen unter den ihm zustehenden Bedingungen (z.B. mit einer Prüfungszeitverlängerung) wiederholen zu dürfen.
Ein Klageverfahren erledigt sich deshalb grundsätzlich nicht alleine dadurch, dass die Prüfung vor der endgültigen Entscheidung über die Gewährung eines Nachteilsausgleichs abgelegt wurde bzw. der Prüfungszeitraums nach Klageerhebung abgelaufen ist.
Immer wieder befürchten Prüflinge, dass die Prüfer Kenntnis von einem gewährten Nachteilsausgleich erlangen und sich dies dann (negativ) in der Bewertung der Prüfung niederschlägt, weil diese ggfs. abweichende Maßstäbe anlegen. Es ist aber regelmäßig nicht zulässig, die Prüfer über gewährte Ausgleichsmaßnahmen für bestimmte Prüflinge zu informieren; beispielsweise ist auch gar kein Grund erkennbar, weshalb eine im Wege des Nachteilsausgleichs verlängerte Bearbeitungszeit auf der bzw. den Klausuren der betreffenden Prüflinge notiert werden sollte.
„… Wenn die dem Beschwerdeführer gewährte Schreibzeitverlängerung somit lediglich dazu diente, ihm chancengleiche äußere Bedingungen für die Erfüllung der abgeprüften Leistungsanforderungen zu verschaffen, ist kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb die verlängerte Bearbeitungszeit auf den Mantelbögen seiner Klausuren vermerkt wurde. Im Gegenteil könnte eine solche Offenbarung des gewährten Nachteilsausgleichs gegenüber den Prüfern geeignet sein, die mit dem Ausgleich hergestellte Chancengleichheit zu konterkarieren. …“
(BVerfG, Beschl. v. 01.07.2021 – 1 BvR 145/20)
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