Der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit und der effektive Schutz der Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verlangen, dass der zuständige Normgeber die Zahl der Prüfer und das Verfahren im Falle von Bewertungsdifferenzen der Prüfer bei berufsbezogenen Prüfungen rechtssatzmäßig festlegt.
Die Durchführung eines Überdenkensverfahrens kann nicht wegen einer zuvor auf Verlangen des Prüflings von den Prüfern abgegebenen schriftlichen Begründung der Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistung als entbehrlich angesehen werden. Eine solche Begründung eröffnet dem Prüfling erst die Möglichkeit, substantiierte Einwendungen zu erheben, anhand derer die Prüfer ihre Bewertung zu überdenken haben.
BVerwG, Urt. v. 10.04.2019 – 6 C 19.18
I. Sachverhalt
Der Kläger begehrte die erneute Durchführung der zweiten Wiederholungsprüfung eines mündlichen Diplom-Prüfungsteils. Nach Nichtbestehen der zweiten Wiederholungsprüfung, bei der vier Prüfer bestellt waren, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er keine weitere Prüfung mehr ablegen könne. Er verlangte eine schriftliche Begründung der Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistung und legte Widerspruch ein. Die schriftliche Begründung erhielt er daraufhin. Der Kläger fertigte seine Widerspruchsbegründung an. Hierbei führte er unter anderem aus, dass die konkrete Zahl der zu bestellenden Prüfer nicht geregelt sei. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, ohne zuvor von sämtlichen Prüfern eine Stellungnahme zu den Einwendungen einzuholen.
II. Rechtliches
Das Bundesverwaltungsgericht urteilte, dass Art. 12 Abs. 1 GG die Durchführung eines Überdenkungsverfahrens gebiete. Da das Überdenkungsverfahren nicht mehr nachgeholt werden konnte, bestand ein Anspruch des Klägers auf erneute Durchführung der zweiten Wiederholungsprüfung des endgültig nicht bestandenen Prüfungsteils. Auch müssen sich in der Prüfungsordnung Angaben zu der konkreten Zahl der Prüfer und der Regelung der Notenfestsetzung bei Bewertungsdifferenzen finden.